Theodor Körner Abschied vom
Dorotheen-Tempel
1791 – 1813
So lebe wohl, du vielgeliebte
Stelle,
Wo ich so oft in süßen Träumen
saß,
Begeistert jene bunte Welt
vergaß;
Zum letzten Mal betret’ ich
deine Schwelle!
Ich kehre wieder heim in meine
Zelle,
Das Leben tritt in das
gewohnte Maß,
Und was des Herzens Sehnsucht
sich erlas:
Es flieht dahin im leichten
Spiel der Welle. –
So walten sie, die Freuden
dieses Lebens!
Der Glaube bleibt mir an die
höchste Wahrheit
Und der Erinn’rung stille
Götterluft. –
Auch mir erschien das Edle
nicht vergebens:
Das Bild des Zarten und des
Schönen Klarheit
Lebt glühend fort in beiner
Dichterbrust.
Theodor Körner Abschied vom Leben
1791 – 1813
Die Wunde brennt, die bleichen
Lippen beben.
Ich fühl’s an meines Herzens
matterm Schlage,
Hier steh ich an den Marken
meiner Tage.
Gott, wie du willst! dir hab
ich mich ergeben.
Viel goldne Bücher sah ich um
mich schweben;
Das schöne Traumlied wird zur
Totenklage.
Mut! Mut! Was ich so treu im
Herzen trage,
Das muß ja doch dort ewig in
mir leben!
Und was ich hier als Heiligtum
erkannte,
Wofür ich rasch und jugendlich
entbrannte,
Ob ich’s nun Freiheit, ob ich’s
Liebe nannte:
Als lichten Seraph seh ich’s
vor mir stehen;
Und wie die Sinne langsam mir
vergehen,
Trägt mich ein Hauch zu morgenroten Höhen.
Theodor Körner Als sie eine Kornähre in der
Hand zum Blühen brachte
1791 – 1813
Ein jeder Wunsch, den in des
Herzens Räumen
Mit zartem Sinne zarte Herzen
pflegen,
Blüht herrlich auf mit
wunderbarem Segen,
Kann nimmer seines Lebens Tag
versäumen.
Und so machst du in heitern
Frühlingsträumen
Verborg’ne Kraft sich in den
Pflanzen regen:
Zum zweiten Male sproßt sie
dir entgegen,
Und neue Blüten lockst du aus
den Keimen.
Und so auch wogt, hat mich
dein Bild getroffen,
Ein heißes Sehnen tief in
meinem Busen,
Und schneller, als die Blüten
dir geblüht,
Erglüht mein Herz mit
jugendlichem Hoffen,
Der Genius ergreift mich und
die Musen,
Und deiner Anmut singt mein
kühnes Lied.
Theodor Körner Als sie von dem Brunnen
Abschied nahm.
1791 – 1813
„Und so leb’ wohl, du Nymphe
dieser Quelle!
„Vertrauend kam ich zu dir
hergezogen:
„Ich bin gestärkt, du hast
mich nicht betrogen,
„Und dankbar scheid’ ich von
der heil’gen Stelle!“ –
Die Holde spricht’s, und jetzt
mit freud’ger Schnelle,
Leicht über das Geländer
hingebogen,
Wirft sie den Becher lächelnd
in die Wogen,
Und er versinkt im
Silberschaum der Welle.
Sie aber zog mit frohem mute
weiter;
Ich kann sie nicht mehr sehen
und begrüßen. –
bei ihrem Anblick ward mir
frühlingsheiter!
Ach! könnt’ ich doch der
schöner’n Zeit gedenken,
Da meine Ideale mich
verließen,
Wie sie den Becher in den
Strom versenken! -
1791 – 1813
Sei freundlich mir gegrüßt, du
stille Quelle,
Aus tiefer Felsenkluft so klar entsprungen!
Der Liebe süßes Lied sei dir gesungen;
Begeistert tön' es an der heil'gen Stelle!
Du bist so kühlend, bist so
rein, so helle;
Noch ist dir nicht dein kühnster Sturz gelungen;
Doch hast du bald der Felsen Macht bezwungen;
Dann rauscht in breiten Strömen deine Welle.
Jetzt fülle hell mir die
kristallne Schale!
In Träumen kommt die Knabenwelt gezogen;
Ihr bring' ich froh den ersten Labetrunk.
Denn ach! schon früh saß ich
in deinem Tale
Und lauschte oft dem Murmeln deiner Wogen,
Und still ergreift mich jetzt Erinnerung.
Theodor Körner Am Grabe Krafts
1791 – 1813
O,
ruhe sanft! In deinen schönsten Tagen,
Wo Lieb' und Kunst dich freundlich eingesungen,
Hat dich der Tod mit kalter Faust gezwungen,
Der schönen Erde Lebewohl zu sagen.
Von deines Strebens Adlerflug
getragen,
Bist du schon früh ins Heiligtum gedrungen,
Hat dich der Einklang höchster Kunst durchklungen,
Das große Ziel des Meisters zu erjagen.
Mit Jugendfülle standst du
kühn im Leben;
Da warf dich schnell dein Schicksal auf die Bahre;
Wir konnten nichts als um den Bruder weinen.
Doch dort verklärt sich ja dein
heil'ges Streben,
Wo Kunst und Glauben, wo das Schön' und Wahre
Zur ew'gen Liebe göttlich sich vereinen.
Theodor Körner Am Hedwigsbrunnen bei Jauer
1791 – 1813
Wie sprech’ ichs aus, was
meine Brust durchzittert?
Der Freude, wie der Wehmut,
Schwingen tragen
Das milde Herz zu liebefrohen
Tagen,
Von keinem Tränengifte mehr
verbittert.
Wer hat mein freies Paradies
umgittert?
Wer durfte mich in diese
Fesseln schlagen,
Den Lieder-Sohn in’s
Kriegsgetümmel jagen?
Wer hat mir meinen Freudenbaum
zersplittert? –
Wie! griff ich nicht mit
freier Hand zum Schwerte,
Daß, blutversöhnend, aus der
deutschen Erde
Ein heilig Werk jung und
lebendig werde? –
Es spricht’s ein Gott im
Rauschen dieser Wellen:
„Am Klippenherzen muß die
Kraft zerschellen,
Und aus dem Tode soll das Leben quellen.“
Theodor Körner An Brockmanns Freunde
1791 – 1813 (am
12. April 1812, während des Mozartschen Requiems
in
der Augustiner-Kirche.)
Ein Schwanenlied, aus
Meisterbrust gesungen,
Das Leben mit dem Tode zu versöhnen,
Ruft unsern Freund in tief
verschlung’nen Tönen,
Und stirbt in klagenden
Erinnerungen. –
Der Schmerz gilt uns, er hat
ihn längst bezwungen;
Uns meint das Lied! – Am
Strahl des ewig Schönen
Die heit’re Künstlerstirne
sich zu krönen,
Kein größ’rer Sieg ist je der
Kraft gelungen!
Er fühlte klar der Lieder
höchstes Streben,
Der kalten Welt, dem tief
gesunk’nen Leben
Die lichte Ahnung bess’rer
Zeit zu geben;
Daß sich im Volk der alte
Geist erneue! –
So sank er, noch an Mut und
Kunst ein Leue,
Als schönster Traum von
deutscher Kraft und Treue.
Theodor Körner An Caroline Pichler
1791 – 1813 (Nach
Vorlesung der „Rosamunde“)
Einen Berg sah ich durch Nebel
steigen,
Scheint in gold’ner Morgenglut
zu schwimmen
Und ein Jüngling will ihn rasch
erklimmen,
Wo sich schroffe Felsenwände
neigen.
Oben schlingt sich ein
vertrauter Reigen;
Eine klingt ihm hold aus allen
Stimmen,
Und er ruft: Ich will den Berg
erklimmen,
Mögt ihr gütig wohl den Pfad
mir zeigen?
Sanft verläßt die Eine ihre
Stelle,
Tritt hinaus auf hohe
Tempelschwelle,
Und dem Jüngling wird das Auge
helle.
Und es faßt sein Herz mit
Sturmeswehen:
Aufwärts, aufwärts nach den
gold`nen Höhen,
Wo die Glücklichen am Ziele
stehen!
1791 – 1813 als
sie gesungen hatte
Noch hör’ ich dich! – Ein Meer
von Harmonien
Durchwogte freudig meine
trunkne Seele;
Der Stimme Einklang, süß wie
Philomele,
Wie lichter Engel
Friedensmelodien.
Noch seh’ ich dich! und alle
Adern glühen –
Umsonst, daß ich den innern Drang
verhehle –
In dieser schönen Form die
schön’re Seele,
Die alle Himmelsreize sanft
umblühen!
Es hat sich dir ein
Zaubergeist verbündet,
Der jedes Herz zur Huldigung
gezwungen.
Es ist ein Kommen, ist ein
Seh’n und Siegen:
Denn alles Schöne, was dein Lied
verkündet,
Und alles Zarte, was dein Mund
gesungen,
Es steht lebendig da in deinen
Zügen.
1791 – 1813 als
das Gerücht ihn in der Bauz’ner Schlacht gefallen nannte.
Heil Dir, mein Fürst, auf
Deinem Strahlenthrone –
Bricht auch das Herz, vom
höchsten Schmerz bezwungen:
Mit letzter Kraft Dir jubelnd
Heil gesungen!
Der Jammer stirbt im höchsten
Siegestone.
Ja! bis das letzte deutsche
Wort verklungen,
Jauchzt noch das Vaterland von
seinem Sohne,
Der, kämpfend für Sein Volk
und Seine Krone,
Sich königlich den Königstod
errungen!
Der Sieg fliegt auf aus Deines
Blutes Bächen;
Dein Name soll des Wütrichs
Mauern brechen,
Das treue Volk muß seinen
König rächen! –
Du aber, sanft entschlummert
unter Leichen;
Erwache, sanft in Deinen
goldnen Reichen;
Die Palmen blühn Dir dort für
Deine Eichen!
1791 – 1813
Treu hingst Du Deinem alten
Fürsten an,
Treu wolltest Du Dein altes
Gut erfechten;
Der Freiheit ihren ew’gen Bund
zu flechten,
Betratst Du kühn die große
Heldenbahn.
Und treu kam auch Dein Volk zu
Dir heran,
Ob sie der Väter Glück
erkämpfen möchten.
Ach! wer vermag’s, mit Gottes
Spruch zu rechten?
Der schöne Glaube war – ein
schöner Wahn.
Es fangen Dich die Sklaven des
Tyrannen;
Doch wie zum Siege blickst Du
himmelwärts,
Der Freiheit Weg geht durch
des Todes Schmerz!
Und ruhig siehst Du ihre
Büchsen spannen:
Sie schlagen an, die Kugel
trifft ins Herz,
Und Deine freie Seele fliegt
von dannen!
Theodor Körner An Gustav Zedlitz
1791 – 1813
Ich fand dich auf des Lebens
bunten Wegen,
Wir konnten nicht den gleichen
Trieb verhehlen;
Es fanden sich die
gleichgesinnten Seelen
Und unsre Herzen flogen sich
entgegen.
Wenn sich die Kräfte noch
chaotisch regen,
Wenn Jugendlust noch irren
kann und fehlen
Der reife Sinn wird doch das
Höchste wählen:
Ein reines Streben lohnt der
Götter Segen.
So wollen wir zum Bund die
Hände fassen,
In Treu’ und Freundschaft
nimmer von uns lassen,
Das edle lieben, das Gemeine
hassen.
seh’n wir uns auch im Leben
selten wieder,
Wir sind uns nah’ im
Zauberreich der Lieder,
Und in der Kunst sind wir uns
ewig Brüder.
1791 – 1813
Ich sah ein Schwärmen, sah ein
buntes Treiben,
Glückwünschend kommt der Freunde
laute Menge
Doch vor des Lebens
rauschendem Gedränge
Muß sich der leise Gruß des
Sängers sträuben.
Er will entfernt, - doch nicht
vergessen bleiben;
In seines Zimmers unbekannter
Enge
Erweckt er seine schüchternen
Gesänge,
Die Freude wagt’s, sie schmucklos
hinzuschreiben.
Schon drängen ihn des
Abschieds trübe Stunden,
Und erst so spät hat er ein
Glück empfunden,
Und kaum genossen, ist es
schon verschwunden.
Doch sprach das Glück auch nur
von kurzen Tagen,
Ich darf es doch in meinem
Herzen tragen,
Und die Erinn’rung darf die
Saiten schlagen!
Theodor Körner An Rosine Bürger
1791 – 1813 Nach
der Vorstellung der „Maria Stuart“
Göttergleich, geführt von
Melpomenen,
Schwebst du hin im festlichen
Gepränge;
Deine Stimme,
Äolsharfenklänge,
Und die Lust zerfließt in
süßen Tränen.
Ach! da faßt ein nie gekanntes
Sehnen
Meine Brust, das haus wird ihr
zu enge,
Und der Beifall der entzückten
Menge
Jauchzt dir zu in fröhlich
lauten Tönen.
Deiner Kunst Begeist’rung
schwelt den Busen;
Denn dich treibt ein heiliges
Verlangen,
Nicht der Menge wandelbare
Gunst.
Göttlich Weib! – der süße
Kranz der Musen
Blüht für dich in ew’gem
Frühlingsprangen,
Und die Kunst belohnt sich in
der Kunst.
1791 – 1813
Von Einer Glut war uns’re
Brust durchdrungen,
und eine Sehnsucht war’s, die
aus uns sprach:
Das dunkle Streben nach dem
ew’gen Tag,
Und uns’re Seelen hielten sich
umschlungen.
Da war’s, wo uns das
Bundeswort erklungen.
O! tön’ es in des Herzens
Doppelschlag
Durch alle Weiten uns und
Fernen nach,
Bis wir das Ziel der ernsten
Kraft errungen!
Und will uns auch das
Schicksal feindlich trennen,
Ich reiche dir die treue
Bruderhand.
Muß ich entfernt die
Lebensbahn durchtrennen,
Dir bleibt dies Herz doch ewig
zugewandt.
Was hier auf erden liebend
sich begegnet,
Das hat ein Gott zum ew’gen
Bund gesegnet.
Theodor Körner Auf der Bank am Sauerbrunnen
1791 – 1813
Du Lieblingsplätzchen meiner
stillen Träume,
Das mich so oft der lauten
Welt verborgen,
Sei mir gegrüßt mit jedem
neuen Morgen
Im grünen Schattendunkel
deiner Bäume.
Und wie ich auch in
Liedeswellen schäume,
Der stillen Sehnsucht muß ich
doch gehorchen,
Und dir Vertrauen meiner
schönsten Sorgen,
Dir sag’ ich, was ich sinne,
was ich träume. –
Ich hab’ in seligen
Erinnerungen
Hier einst der Liebe ganze
Luft gesungen.
Ach, jene Töne sind mir längst
verklungen! –
Ein böses Schicksal haust in
meinen Plänen;
So teile du mein Fürchten und
mein Sehnen,
Du kennst den Schmerz und du
verstehst die Tränen.
1791 – 1813
Auf schnellem Fittig ist die
Zeit verschwunden,
Unwiederbringlich! – Nur
Erinn’rung lebt,
Ein schöner Traum, von
Nebelduft umwebt,
Ein heiliges Vermächtnis jener
Stunden.
Heil mir, daß ich der Tage
Glück empfunden,
Daß kühn mein Herz zu stolzen
Höhen strebt.
Dein Bild ist’s das so
freundlich mich umschwebt.
Ach! wär’ ich frei und wär’
ich nicht gebunden!
Du strahlst mir in des
Aufgangs Rosengluten,
Ich sehe dich im Sternensaal
der Nacht,
dich spiegeln mir des Teiches
Silberfluten,
Dich zaubert mir des Frühlings
reiche Pracht,
Sanft murmelt’s mir im klaren
Wasserfall,
Und deinen Namen ruft der
Wiederhall.